Zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Scheinwerkvertrag

Wenn Unternehmen Werkverträge vergeben, ist Vorsicht geboten. In der Praxis wird daraus oft Leiharbeit – und aus legaler Arbeitnehmerüberlassung ein Scheinwerkvertrag.

Outsourcing von Aufgabenbereichen gehört in vielen Branchen schon längst zu einem gängigen Mittel der Personalabteilungen. Doch nicht alles, was sich auf diesem Gebiet realisieren lässt und hilfreich ist für eine erfolgreiche Betriebsführung, steht auch juristisch auf gesicherter Grundlage. So kochte das Thema der zunehmenden missbräuchlichen Vereinbarung von Werkverträgen immer wieder hoch. Was ist nun erlaubt und was nicht?

Einsatz von fremdem Personal durch „Werkverträge“
Der Personaleinsatz auf der Basis von Werkverträgen steht bei Unternehmen immer noch hoch im Kurs: Einzelne Aufgabenbereiche werden als „Werk“ definiert, um sie dann an Fremdarbeitnehmer zu vergeben. Das verspricht größtmögliche Flexibilität. Außerdem gelten bei externen Dienstleistern meist deutlich günstigere Arbeitsbedingungen. Insbesondere der Personaleinsatz von fremdem Personal auf werkvertraglicher Basis erweist sich oft als vermeintlich innovatives Modell zur Kostensenkung.

Der Abschluss solcher Verträge ist für sich genommen nichts Verwerfliches und auch nichts Neues. Betriebe vergeben mittels Werkverträge Aufgaben an andere Firmen: Kantinenbetrieb, Reinigungsdienste, Zulieferungen von Bauteilen oder Maschinenwartung – eine Firma übernimmt einen Auftrag und liefert das Werk in der vereinbarten Qualität. Wie viele Stunden dafür benötigt werden, wie viele Mitarbeiter eingesetzt werden und wie diese bezahlt werden, muss den Auftraggeber nicht interessieren. Die Unternehmen können sich so auf ihr Kerngeschäft konzentrieren.

Doch in der Vergangenheit häuften sich Berichte über Arbeiter, die für die Hälfte des Tariflohns oder für Niedriglöhne in Schlachthöfen schuften oder im Supermarkt Regale einräumen. Kritisiert wurde vor allem die Aushebelung der Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeit) durch die intensive Nutzung von Werkverträgen. Den Statistiken konnte man jedoch nicht entnehmen, ob durch den Abschluss eines Werkvertrags ein Arbeitsverhältnis mit den daraus folgenden Arbeitnehmerrechten umgangen werden sollte. Was ist also zu beachten, um diese Bewertung zu vermeiden? Welche Situationen werden aus rechtlicher Sicht als anstößig angesehen?

Unterschied zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertrag
Das Leiharbeitsverhältnis, wie es das AÜG regelt, ist gekennzeichnet durch eine Dreiecksbeziehung zwischen dem (Leih-)Arbeitnehmer, dem Verleiher und dem Entleiher: Der (Leih-)Arbeitnehmer schließt einen Arbeitsvertrag mit dem Verleiher ab. Dieser wiederum überlässt seinen Arbeitnehmer dem Entleiher, der das arbeitsrechtliche Weisungsrecht übernimmt. Damit tritt der Entleiher aus Sicht des Arbeitnehmers in die Arbeitgeberrolle ein. Für den Arbeitnehmer, der selbst keine vertragliche Beziehung zum Entleiher hat, fallen faktischer Arbeitgeber und Vertragsarbeitgeber also auseinander.

Dieser letzte Schritt fehlt beim Abschluss eines Werkvertrags – die Einbindung des (Leih-)Arbeitnehmers in die fremde Organisation durch Übertragung des Weisungsrechts. Es besteht zwar eine vertragliche Beziehung zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer, allerdings verbleibt das Weisungsrecht beim Auftragnehmer, dem Vertragsarbeitgeber. Aus Sicht des einzelnen Arbeitnehmers fehlt es also im „klassischen Werkvertrag“ an der oben beschriebenen gespaltenen Arbeitgeberstellung.

Weisungsrecht gegenüber Arbeitnehmern
Merke: Bei einem Werkvertrag hat nur der Werkunternehmer (Personaldienstleister) das formale Weisungsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer. Bei Leiharbeit muss aber der Entleiher Anweisungen erteilen können.

In der Praxis ist diese Abgrenzung also nicht immer leicht. Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung gleichen sich von außen betrachtet darin, dass es sich um sogenannte Fremdarbeit handelt; ein Unternehmer nimmt also Leistungen von Personal in Anspruch, das nicht sein eigenes ist. Mit einer lupenreinen Vertragsgestaltung alleine ist es jedoch nicht getan.

Welches Rechtsverhältnis vorliegt, war bisher nur anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letzteres maßgebend, wie das Bundesarbeitsgericht zuletzt im Jahr 2013 bestätigt hat (Urteil vom 25. September 2013 – 10 AZR 282/12).

Kritisches bei Werkverträgen und Leiharbeit
Nach herrschender Rechtsprechung werden vor allem Vorgehensweisen kritisch gesehen, bei denen betriebliche, zum „Kerngeschäft“ gehörende Aufgaben, die unmittelbar den Betriebszweck verwirklichen, dauerhaft auf Werkvertragsbasis fremd vergeben werden.

Maßgeblich für einen korrekten Werkvertrag ist die tatsächliche Vertragsdurchführung. Zu beachten ist, dass der einzelne Werkunternehmer oder die Arbeitnehmer eines Werkunternehmers nicht derartig in den Beschäftigungsbetrieb eingegliedert sein dürfen, dass in Wahrheit eine sogenannte Arbeitnehmerüberlassung, als ein Leiharbeitsverhältnis, vorliegt.

Leiharbeitnehmer sind in den Betrieb eingegliedert
Gerade die Eingliederung von Leiharbeitnehmern in den Betrieb ist bei der Arbeitnehmerüberlassung typisch. Die Leiharbeitnehmer werden geführt wie eigene Beschäftigte. Der entleihende Betrieb ist allein dafür verantwortlich, dass diese Mitarbeiter sinnvoll und effizient eingesetzt werden. Und er haftet für Schäden, die sie verursachen.

Beim Werkvertrag ist das anders: Hier übernimmt der Werkunternehmer einen konkreten Auftrag, dessen Erfüllung er selbst organisieren muss. Die Grenze zur Leiharbeit wird dann überschritten, wenn derjenige, der den Werkauftrag erteilt, den Personaleinsatz genauso steuert wie bei eigenen Arbeitnehmern und damit den Arbeitnehmern des Werkunternehmers Weisungen erteilt.

So wird aus einem Werkvertrag Leiharbeit
Wenn der Betrieb selbst entscheidet, wer wann was macht und er die Beschäftigten des Werkunternehmers exakt nach Bedarf bestellt und sie dann eigenverantwortlich einsetzt, wird aus dem eigentlich als Werkvertrag geplanten Unterfangen verdeckte Leiharbeit.

Folgen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung
Die illegale Arbeitnehmerüberlassung ist für Verleiher und Entleiher eine Ordnungswidrigkeit. Und da es sich um vorsätzliches Vorenthalten von Vergütung handelt, kommt auch der Straftatbestand der Hinterziehung von Sozialversicherungsbeträgen in Betracht.

Vermeidung von Scheinwerkverträgen durch die AÜG-Reform
Der vermeintliche Werkvertragsunternehmer und sein Auftraggeber sind bei Vorlage einer Verleiherlaubnis nicht besser gestellt als diejenigen, die unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung betreiben. Dem Entleiher sind bei der Gestaltung von Verträgen formale Hürden gestellt: So gilt der Grundsatz, dass Arbeitnehmerüberlassung dann vorliegt, wenn ein Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt (§ 1 Abs. 1 S. 2 AÜG).

Darüber hinaus werden dem Entleiher bei der Gestaltung des Überlassungsvertrags Offenlegungs- und Informationspflichten auferlegt. So muss die Arbeitnehmerüberlassung ausdrücklich im Überlassungsvertrag als solche bezeichnet und die Person des jeweiligen (Leih-)Arbeitnehmers konkretisiert werden. Die Folge: Die beteiligten Parteien können bei Scheinwerkverträgen nicht mehr auf das Konstrukt der Verleiherlaubnis zurückgreifen, da sie nun von Anfang an zur Offenlegung der tatsächlichen Vertragsgestaltung verpflichtet werden.

Zudem kommt es auf die tatsächliche Durchführung des Vertrags an (§ 12 Abs. 1 S. 2 AÜG).

Umfassendes Unterrichtungsrecht des Betriebsrats
Die Rechte des Betriebsrats im Entleiher-Unternehmen erstrecken sich ausdrücklich auch auf die Leiharbeitnehmer. Dem Betriebsrat steht ein Unterrichtungsrecht auch für den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben des Leiharbeitnehmers zu (§ 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG). Für den Entleiher besteht eine Vorlagepflicht bezüglich des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages (§ 80 Abs. 1 S. 3 BetrVG).

Geldbuße bei unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung
Neben den bestehenden Rechtsfolgen einer Ordnungswidrigkeit für Verleiher und Entleiher und der Gefahr der strafbaren Hinterziehung von Sozialversicherungsbeträgen, wenn es sich um vorsätzliches Vorenthalten von Vergütung handelt, kommen weitere Sanktionen hinzu: Im Falle der Verletzung der Offenlegungspflichten aus § 1 Abs. 1 S. 5 u. 6 AÜG kommt jeweils ein gesonderter Ordnungswidrigkeitstatbestand in Betracht; im Falle eines Verstoßes droht eine Geldbuße von bis zu 30.000 Euro.

Entstehen eines Arbeitsvertrags zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher
Darüber hinaus führt die kumulative Verletzung der Offenlegungspflichten zur Unwirksamkeit des Leiharbeitsvertrags zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer. Es entsteht ein Arbeitsvertrag zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher, wenn der Leiharbeitnehmer dem nicht durch eine sogenannte Festhaltenserklärung innerhalb einer Frist von einem Monat widerspricht.

Dabei muss der Leiharbeitnehmer gegenüber dem Entleiher oder dem Verleiher schriftlich erklären, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhalten möchte. Die einmonatige Frist beginnt mit dem vorgesehenen Zeitpunkt des Beginns der Überlassung. Problematisch ist dies, wenn die tatsächliche Überlassung zu einem späteren Zeitpunkt beginnt als es zwischen Verleiher und Entleiher vorgesehen war, denn im Zweifel hat der Leiharbeitnehmer davon keine Kenntnis.

Dem Leiharbeitnehmer wird eine zusätzliche formale Hürde gestellt: Er ist verpflichtet, die Festhaltenserklärung gegenüber der Bundesagentur für Arbeit persönlich vor ihrer Abgabe vorzulegen und spätestens am dritten Tag nach dieser Vorlage die Erklärung gegenüber dem Entleiher oder Verleiher abzugeben.

Fazit
Die Offenlegungspflichten verhindert die praktische Umgehung eines Scheinwerkvertrags mittels einer Verleiherlaubnis. Dadurch sind Leiharbeitnehmer gut geschützt und es entstehen formale Hürden für Verleiher und Entleiher

Dennoch wird es auch in der Zukunft auf die tatsächliche Durchführung des Vertrags ankommen und damit auf die Frage der Eingliederung des Leiharbeitnehmers in den Einsatzbetrieb und der Frage der Weisungsgebundenheit.

Von Hendrik Bourguignon und Annika Peltzer

Quelle: www.business-wissen.de

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